Bildung und Sozialhilfe: Paradigmenwechsel mit Hürden

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Der aktuelle Kennzahlenvergleich zur Sozialhilfe in Schweizer Städten legt den Schwerpunkt auf das Thema Bildung von Sozialhilfebeziehenden. Eine Online-Umfrage bei den Sozialdiensten beleuchtet, wie es gelingt Fördermassnahmen umzusetzen, und zeigt bestehende Hindernisse auf.

Wer über keine Ausbildung verfügt, trägt ein deutlich erhöhtes Armutsrisiko. Dies zeigt sich unter anderem in der stetigen Zunahme des Anteils von Personen ohne anerkannten Bildungsabschluss in der Sozialhilfe: Mehr als die Hälfte der Erwachsenen, die Sozialhilfe beziehen, hat keine abgeschlossene Ausbildung. Der Vergleich berücksichtigt 14 Schweizer Städte.

Mit Investitionen in die Bildung könnte Armut nachhaltig bekämpft werden. Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) schlug daher im Jahr 2018 vor, das bisher geltende Paradigma, Sozialhilfebeziehende nach dem Prinzip «Arbeit statt Sozialleistung» möglichst rasch in den Arbeitsmarkt zu integrieren, durch ein neues Paradigma «Arbeit dank Bildung» zu ersetzen. Personen ohne ausreichende arbeitsmarktrelevante Kompetenzen und Qualifikationen sollen im Erwachsenenalter die Chance erhalten, sich diese anzueignen. Je nach Bedarf gehören dazu der Erwerb von Grundkompetenzen (Lesen, Schreiben, mündlicher Ausdruck, Mathematik, IT und Telekommunikation) oder berufsqualifizierende Aus- und Weiterbildungen.

Ansätze der Bildungsförderung vorhanden

Wie die Befragung zeigt, ist bei den Sozialdiensten das Bewusstsein für die Bedeutung der Erwachsenenbildung vorhanden. Die Mehrheit ermöglicht es Personen mit Bildungsbedarf, gewisse niederschwellige Bildungsmassnahmen zu absolvieren (vgl. Grafik). Ebenfalls bieten interne oder externe Fachpersonen mindestens teilweise Unterstützung vor oder während einer Ausbildung auf EBA- oder EFZ-Niveau. Die Möglichkeiten unterscheiden sich jedoch je nach Sozialdienst oder Kanton. Häufig bestehen Rahmenbedingungen, die es sozialhilfebeziehenden Personen erschweren oder verunmöglichen, eine Bildungsmassnahme in Angriff zu nehmen oder erfolgreich abzuschliessen.

Rechtliche und finanzielle Hürden

Trotz vorhandener Ansätze ist das Ziel einer raschen Ablösung in der Sozialhilfe nach wie vor stark verankert. Dies manifestiert sich unter anderem in rechtlichen Hürden. Aufgrund des drohenden Verlusts des Aufenthaltsrechts verzichten beispielsweise Personen ohne Schweizer Pass oft auf grössere Bildungsinvestitionen. Auch wenn damit die Aussicht auf eine nachhaltige Ablösung deutlich erhöht würde. Sie bevorzugen die sofortige Aufnahme einer Arbeitstätigkeit, weil dies für das Aufenthaltsrecht vorteilhafter ist.

Je nach Kanton und Ausgangslage ist auch der Zugang zu existenzsichernden Stipendien nicht gewährleistet. So sind in vielen Kantonen gewisse Personengruppen vom Zugang zu Stipendien oder anderen Finanzierungsmöglichkeiten ausgeschlossen. Dazu zählen vor allem ältere Lernende (teilweise bereits ab 25 Jahren), Wiedereinsteigende mit einer nicht verwertbaren Erstausbildung, spätzugezogene Jugendliche, Erwachsene im Familiennachzug oder vorläufig aufgenommene Personen.

Positive Bildungserfahrungen ermöglichen

Nebst dem Abbau rechtlicher und finanzieller Hürden gilt es, verschiedene Hindernisse im Bildungssystem und bei den gesellschaftlichen Erwartungen zu beachten. Für die Betroffenen können neben instabilen Lebensverhältnissen und gesundheitlichen Problemen auch psychosoziale Faktoren (wie negative Bildungserfahrungen und damit verbundene Angst, Scham oder fehlendes Selbstvertrauen) relevante Hürden für die Absolvierung von Bildungsmassnahmen darstellen. Die Erfahrungen der befragten Fachleute zeigen: Mit Zwang und Druck verbundene Anreizsysteme wirken in solchen Fällen kontraproduktiv. Gefragt sind vielmehr individuell passende Massnahmen, die gerade bei multiplen Problematiken über eine längere Zeit und in kleinen Schritten umgesetzt werden.

Daher reicht es häufig nicht, lediglich die Finanzierung einer Aus- oder Weiterbildung sicherzustellen. Viele Betroffene benötigen zusätzlich eine professionelle Beratung und Begleitung vor oder während der Ausbildung. Die Sozialhilfe kann einige erfolgreiche Programme vorweisen, die durch eine individuell angepasste Begleitung Bildungserfolge ermöglichen. Ihre Expertise in diesem Bereich gilt es zu vertiefen und in die interinstitutionelle Zusammenarbeit der Bildungsförderung einzubeziehen.

 


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