Städte übernehmen bei der Aufnahme, Betreuung und Integration geflüchteter Menschen eine wichtige Rolle. Die Sozialhilfe ist dabei besonders für Familien und Kinder ein zentrales Unterstützungsinstrument. Auch wird sie häufig in Ergänzung zu einem Erwerbseinkommen ausgerichtet.
Die Zahl der Menschen, die vor Krieg und Verfolgung flüchten mussten, hat weltweit stark zugenommen. Die Schweiz und in besonderem Masse die Schweizer Städte bieten daher einer steigenden Zahl Geflüchteter Schutz und Sicherheit. Im Rahmen der jährlichen Kennzahlenberichterstattung zur Sozialhilfe beleuchten wir die Rolle der Sozialhilfe im Kontext der städtischen Unterstützungssysteme für geflüchtete Menschen näher.
Grosse Varianz zwischen den Städten
In praktisch allen verglichenen Städten leben deutlich mehr Geflüchtete als im jeweiligen Kantonsmittel. Je nach Kanton übernehmen die städtischen Verwaltungen mehr oder weniger direkte Verantwortung für die Integrationsarbeit. Auch die Unterstützungsrichtlinien im Bereich der Sozialhilfe variieren stark. Vorläufig aufgenommene Personen erhalten teilweise massiv tiefere Leistungen, wobei der Grundbedarf bis zu 60% unter dem regulären Ansatz der Sozialhilfe liegen kann. Auch haben vorläufig aufgenommene Personen in verschiedenen Städten mit Ausnahme von Sprachkursen keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu Integrationsmassnahmen.
Geflüchtete sind auf dem Weg in die finanzielle Unabhängigkeit oft längere Zeit auf Sozialhilfeleistungen angewiesen. Sprachliche Hürden, in der Schweiz nicht anerkannte Bildungsabschlüsse, Betreuungspflichten oder gesundheitliche Einschränkungen durch Traumata erschweren die Integration in den Arbeitsmarkt – und dadurch auch die Möglichkeit, im Rahmen einer Arbeitstätigkeit ein existenzsicherndes Einkommen zu erzielen. Zudem haben Geflüchtete häufig kaum Zugang zu anderen Sozialleistungen und Versicherungen.
Geflüchtete Sozialhilfebeziehende häufig erwerbstätig
Die stärkere Koordination und die gezieltere Unterstützung bei der beruflichen Integration im Rahmen der 2019 eingeführten Integrationsagenda Schweiz haben dazu geführt, dass Geflüchtete einen rascheren Anschluss an den Arbeitsmarkt finden. Allerdings sind sie dann oft weiterhin auf Sozialleistungen angewiesen.
Die Auswertungen der Sozialhilfestatistik zeigen: Geflüchtete in der Sozialhilfe sind viel häufiger erwerbstätig als andere Sozialhilfebeziehende. Die zentralen Gründe dürften die tiefen Löhne auf der einen Seite und die hohen Kosten für das Aufziehen von Kindern auf der anderen Seite sein. Um dies zu ändern, müsste der Zugang zu fairen und existenzsichernden Löhnen verbessert werden, unter anderem durch Bildungsinvestitionen oder die Anerkennung ausländischer Abschlüsse.
Fehlende Mittel zur sozialen Teilhabe
Auch sind Geflüchtete, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, überdurchschnittlich oft Kinder oder junge Erwachsene. 37 Prozent der Geflüchteten in der Sozialhilfe sind minderjährig. Für die Sozialhilfe, für die Regelsysteme wie Schulen und Kinderbetreuungsangebote sowie für die Sozialplanung gilt es, diese Tatsache präsent zu halten. Die Praxis in diversen Kantonen, bei vorläufig aufgenommenen Personen den Grundbedarf stark zu kürzen, ist gerade für die betroffenen Kinder ein Problem. So fehlen die Mittel, die ihnen eine Teilhabe am sozialen Leben ermöglichen würden.
Verbesserungspotenzial vorhanden
Im Rahmen der Studie wurden die Verantwortlichen der 14 städtischen Sozialdienste zu Verbesserungsmöglichkeiten für die Umsetzung der Integrationsagenda befragt. So könnte eine gezielte Koordination der Angebote und Versorgung auf städtischer Ebene Verbesserungen bringen. Erforderlich wären dafür kompatible Fallführungssysteme, eine geringere Fallbelastung und mehr Ressourcen für eine individuelle Beratung, insbesondere bei der Betreuung unbegleiteter minderjähriger Asylsuchender. Zudem wäre es im Sinne der Gleichbehandlung angebracht, die Asylsozialhilfe an die reguläre Sozialhilfe anzugleichen, um so die schwerwiegenden Konsequenzen für die betroffenen Kinder abzuwenden.
Kontakt:
- Prof. Dr. Michelle Beyeler, Dozentin, Abteilung Professionsentwicklung
- Dr. Lukas Hobi, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut Soziale Sicherheit und Sozialpolitik
Artikel und Berichte:
- Beyeler, Michelle; Hobi, Lukas; Richard, Tina; Coullery, Pascal (2023): Sozialhilfe in Schweizer Städten – Die Kennzahlen 2022 im Vergleich. Städteinitiative Sozialpolitik. Winterthur. Bericht auf Französisch
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Literatur und weiterführende Links:
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