Heute ist in der Schweiz jede fünfte Person zwischen 65 und 74 Jahren erwerbstätig. Bei der Entscheidung weiterzuarbeiten, spielen viele Faktoren eine Rolle: etwa die Gesundheit und finanzielle Situation, aber auch Familie und Freund*innen. Interviews zeigen, dass frühere Lebens- und Karriereentscheidungen sowie der eigene Handlungsspielraum bei der Arbeit einen Einfluss ausüben.
Welche Motive, Ermöglichungsfaktoren und Hindernisse beeinflussen die Weiterarbeit im Rentenalter? In der Studie «Erwerbstätigkeit im Rentenalter» untersucht ein Forschungsteam des Instituts Alter der Berner Fachhochschule BFH die bezahlte Arbeit nach der Pensionierung. Ein Teil der Studie beinhaltete Gespräche mit Personen, die auch im Rentenalter weiterarbeiten. Diese Gespräche wurden in einer Broschüre gesammelt und veröffentlicht. Die sechs Portraits bieten ein intimes und vielfältiges Bild davon, wie Arbeiten nach der Pensionierung aussehen kann – abseits der bekannten Stereotypen. Eine der portraitierten Personen ist der 69-jährige Jean-Claude Poffet, für den immer klar war, dass er nach der Pension etwas machen werde – jedoch müsse es gehalt- und sinnvoll sein.
Von der Leidenschaft zum Beruf
Jean-Claude Poffet setzte sich bereits mit seiner Pensionierung auseinander, als ihn die Anfrage eines Verlags erreichte. Er hatte sich ein halbes Jahr zuvor dort beworben und rechnete nicht mehr mit einer Anstellung. Er nahm das Angebot trotzdem an und arbeitete auch im Pensionsalter weiter. Seine Führungsposition gab er dann jedoch ab.
Foto: Oliver Slappnig
Neben seiner Tätigkeit im Verlag arbeitete Jean-Claude Poffet häufig als Fotograf, was er bereits davor gelegentlich getan hatte. Als er den Verlag im Jahr 2021 verliess, blieb die Fotografie seine Leidenschaft. «Mein Wunsch war es, das Fotografieren auf eigene Rechnung weiterzuführen.» Diesen Wunsch konnte er sich erfüllen. Nebenbei erhält er auch Layoutaufträge.
«Die Finanzen spielen natürlich auch eine Rolle», so Jean-Claude Poffet. Als ihm kurz vor seinem 65. Lebensjahr ein Vorsorgespezialist ausrechnete, dass seine Pensionskassengelder nicht allzu hoch seien, überraschte ihn das nicht. Die Nebeneinkünfte, die bei ihm unter dem AHV-Freibetrag liegen, sind daher willkommen.
«Ich hatte nie das Gefühl, ausgebrannt zu sein, da ich mich immer gut vom Beruflichen abgrenzen konnte.»
Aktuell denkt Jean-Claude Poffet nicht daran, seine Tätigkeit aufzugeben. «Ich mache das, solange ich den Stift halten kann und meine Augen funktionieren.» Die Arbeit hat sich seit der Pensionierung nicht stark verändert, aber er stellt fest, dass er mehr Netzwerkpflege betreiben muss, um auf seine Arbeit aufmerksam zu machen. Im Moment widmet er sich einem grösseren Projekt: einem Fotobuch mit seinen Werken aus den letzten 20 Jahren.
Your Stage – Das Festival zu Arbeitswelten 60plus
2. bis 6. September 2024
Live in Bern, Zürich, Bellinzona und Lausanne, begleitet von Online-Sessions
In der zweiten Lebenshälfte angelangt und neugierig auf Alternativen zum (wortwörtlichen) Ruhestand? Oder einfach Interesse an diesem Zukunftsthema? «Your Stage – Das Festival zu Arbeitswelten 60plus» bringt Formen der Erwerbstätigkeit im Rentenalter auf die Bühne: mit wissenschaftlichen und praktischen Impulsen, Workshops, Talks, Kurz-Coachings und vielem mehr. Entwerfen wir gemeinsam eine Vision für die Zukunft!
Kontakt:
- Michelle Bütikofer, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut Alter
- Prof. Dr. Jonathan Bennett, Co-Leiter Institut Alter
Artikel und Berichte:
- Torben-Nielsen Karen, Bütikofer Michelle (2024): Und, wie lange arbeiten Sie noch? Portraits zum Arbeiten nach dem Pensionsalter, Berner Fachhochschule, Bern | auch auf Französisch und Italienisch erhältlich
Projekte und Partner:
- Forschungsprojekt «Erwerbstätigkeit nach Rentenalter»
- Your Stage – Das Festival zu Arbeitswelten 60plus
- AGE-INT
2 Kommentare
Margrit
Ein Faktor wurde ignoriert. Ab 50 kann jeder froh sein, wenn er den Arbeitsplatz noch hat. Zuviele sind aus «Reorganisationsgründen» einfach «berufsbefreit» in die Sozialhilfe entsorgt worden.
Michelle
Besten Dank für deinen Kommentar, Margrit. Du sprichst einen wichtigen Punkt an: Der Verlust der Arbeitsstelle ist für viele Menschen in der Schweiz, insbesondere ab 50, eine harte Realität.
Unsere Broschüre beleuchtet verschiedene Möglichkeiten der Erwerbstätigkeit nach dem Rentenalter. Wir hoffen, damit einen Beitrag zur Diskussion zu leisten und Menschen in ähnlichen Situationen zu unterstützen.